Suspense, superb

Buchtitel: Schwestern der Nacht [Ryojin nikki]
Autorin: Togawa Masako [ins Deutsche übertragen von Carla Blesgen]
Verlag, Erscheinungsjahr: Unionsverlag, 2002
ISBN 3-293-20246-2

Offen gesagt, Krimis lese ich nicht. Vielleicht gerade noch ein bisschen Chester Himes, aber dann ist schon Sense. Der Grund ist, ich pflege in Anlehnung an die Verstiegenheiten eines Cesare Lombroso das Vorurteil, Täterschaft und Intelligenz schließen einander aus. Die unlängst in einer der schwer erträglichen Provinzpostillen kund getane Behauptung einer österreichischen Krimischreiberin, Verbrecher in der Wirklichkeit würden noch wesentlich kalkulierter vorgehen als in der Literatur, bezieht sich wahrscheinlich auf Marsmenschen. Wenn man nämlich in den Zeitungen verfolgt, zu welch nichtigen Anlässen Menschen über Menschen herfallen, kann man die Elaborate des Krimigenres nur für besonders gedrechselt erachten. [Aber vielleicht macht ja gerade das den Reiz dieser Gattung aus.]
Dass ich auf Togawa Masako und diesen Roman gestoßen bin, liegt einfach daran, dass er in einem größeren Posten zeitgenössischer, ostasiatischer Literatur zufällig dabei war. Die Erstausgabe erschien bereits 1963 in Japan und der Stoff hat zwischenzeitlich etliche Verfilmungen erlebt. Dennoch wirkt die Schreibe und die Schilderung der Szenerie aber alles andere als angestaubt. [Wahrscheinlich mit ein Grund, warum der Roman in Übersetzungen auch immer wieder neu aufgelegt wird.]
Es ist die Geschichte eines Casanovas, der über seine Eroberungen akribisch genau Tagebuch führt und sich eines schönen Tages mit der erdrückenden Verdächtigung konfrontiert sieht, seine jüngsten Liebschaften der Reihe nach ermordet zu haben. Wer den üblichen Zögerlichkeiten in der literarischen Darstellung einer Verbrechensrekonstruktion nicht auf den Leim geht, wird als Leser gleich überzuckern, wer nur als Täter infrage kommen kann. [Natürlich werde ich mich jetzt hüten, das so einfach offen zu legen.] Was die Lektüre dennoch recht kurzweilig gestaltet, ist der stringente Erzählfluss, die Zeichnung der Charaktere, sowie die Unumwundenheit, das Prekäre gewisser Geschlechterverhältnisse anzusprechen. Die letztlich aufgelöste Bizarrerie der Vorgänge könnte man wieder einmal als typisch japanisch bezeichnen, wenn das nicht längst zur Phrase geronnen wäre.



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