Herr Nölke sucht das Glück

Buchtitel: Zazen oder der Weg zum Glück
Autor: Abt Muho
Verlag, Erscheinungsjahr: Rowohlt, 2007
ISBN 978-3-499-62203-8

Das Glück liegt bekanntlich in den gleichnamigen Keksen verborgen oder auf dem Rücken der Pferde (solange man nicht spektakulär von denselben purzelt). Warum also umständlich nach etwas suchen, das man sich beim Chinesen kaufen und im Sporthotel buchen kann?

Es gibt Bücher, die rauben einem die schönsten Illusionen. Dieses zum Beispiel, das unter anderem von einem japanischen Zen-Kloster berichtet, in dem Novizen schon einmal windelweich geprügelt zu werden pflegen. Und dass Zazen, im übertragenen Sinn, für die Würscht ist, wird Interessierte fürs erste auch nicht erbauen.

Der junge Mann, der heute als Abt Muho im Zen-Kloster Antaiji (Kutoyama, nächst Osaka) sozusagen als Leiter der Anstalt residiert, kam als Olaf Nölke in Deutschland zur Welt, entwickelte als Jugendlicher ein Faible für Zen, studierte Japanisch und anderen Quark und blieb schließlich im Land der aufgehenden Sonne hängen. In dem Buch, das kein weiterer Ratschläger a la Wie werde ich glücklich ohne mir noch drei Dutzend andere Kompendien dieser Art reinziehen zu müssen? ist, plaudert er ein wenig aus der Schatulle und beschäftigt sich mit Lebensfragen aus Zen-buddhistischer Sicht. Er sagt ganz offen, allerdings in anderen Worten, dass es in Japan eine Menge ominöser Zen-Lehrer gibt, die man über die Häuser schmeißen kann. Das rühre daher, dass manche Klostervorstände quasi wie in Erbpacht zu ihrem Job kämen und ebenso gut (oder besser) als Fliesenleger oder Barkeeper überzeugen könnten.

Im Gegensatz zu buddhistischen Mönchen in anderen Teilen Asiens ist es den Zen-Menschen nämlich durchaus erlaubt zu heiraten. Muho selbst, sein Name bedeutet so viel wie „keine Richtung“ oder „jede Richtung“ oder „alles Mögliche“, aber man sollte dahinter kein ironisches Manifest vermuten, ist mit einer Japanerin (Tomomi) verheiratet und Vater zweier Kleinkinder, die es voraussichtlich auch nicht auf Dauer sein werden. Auf der Homepage des Klosters findet sich der Abt mit seinen Kindern beim Baden und man fragt sich irritiert: Ist es wahr, dass in Japan die Wannen nicht größer als Handwaschbecken sind? Und wie ist es möglich, dass darin ein ausgewachsener Deutscher mit, zugegeben, rasiertem Kopf und chiisai kodomo auch noch Platz zum Planschen findet?

Das Leben im Kloster ist trotzdem nicht gerade die Idylle, die man als sentimentaler Couch-Potato hierzulande vermuten würde. Viel Kümmernis und Plackerei, weil man auf Selbstversorgung schwört und die Chose eben so dazugehört wie die stundenlangen Sitz-Torturen (Sesshin), die noch dazu gar nicht den Sinn haben, einem Satori zu eröffnen. (Au weh, wieder um eine Hoffnung ärmer!)

Das Buch ist ein Labsal für alle, denen esoterischer Hokuspokus wie steinharter Käse im Magen liegt und die einen Hang zum Leichtverdaulichen verspüren. Doch Vorsicht! Das will nicht heißen, dass Abt Muhos Büchlein eine oberflächliche Angelegenheit wäre. Gerade weil er die Dinge ohne Herumgeschreibsel schnörkellos beim Wort fasst, fühlt man, dass er was zu sagen hat und sich daraufhin angesprochen. Die Paradoxien, die man zuweilen herauszulesen glaubt, sind aber weniger als Gehalt in dem Buch enthalten, denn vielmehr als Knoten zu erkennen, die einem der eigene Verstand in die Führungsleine durch den Nebel des Lebens hineinzaubert. Um sich nicht ständig selbst auf den Leim zu gehen, mahnt Muho immer wieder das Loslassen ein.

Seine Beobachtungen der japanischen Gesellschaft (Kinderliebe, das Verhältnis der Geschlechter zueinander, …) haben auch einiges für sich und regen an, so manchen eigenen Standpunkt zu überdenken.

Dass er neben einem seiner einflussreichsten Vorgänger (Sawaki Kodo) immer wieder Dogen Zenji zitiert, begeistert mich freilich ganz besonders. Dogen und Muso Soseki sind mir in den Jahren meiner sehr laienhaften Auseinandersetzung einfach ans Herz gewachsen.



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