Der Genreschreck

Buchtitel: Takashi Miike
Herausgeberin: Tanja Prokić
Verlag, Erscheinungsjahr: edition text + kritik, 2014 (Reihe Filmkonzepte 34)
ISBN 978-3-86916-334-5

Ein Themen-Heft der Reihe Filmkonzepte (Heft 34), das sich mit dem „japanischen Kamikaze-Regisseur“(Prokić/Schlicker) auseinandersetzt. Oder treffender: Mit der Analyse ausgewählter Arbeiten dieses Vielfilmers, den auch als produktiven Wüstling (miss)verstehen kann, der nicht jeder Filmszenen-Zumutung einen Subtext unterlegen will. Zudem ist schwer vorstellbar, dass sich jemand alle bisherigen 94 Regiearbeiten des Meisters der Verstörung antut, um dem Gesamtschaffen Miikes nur ja erschöpfend gerecht zu werden.
In den neun Aufsätzen verschiedener Verfasserinnen und Verfasser geht es nicht um die Filmrezeption, darum wie die Werke vom jeweiligen Publikum aufgenommen werden (das scheint überhaupt das Thema einer eher überschaubaren Anzahl von Untersuchungen), als vielmehr um Interpretation und Kontextualisierung, um Lesarten der Textur des jeweiligen Films. Dass dabei die Gefahr der Bedeutungsüberfrachtung nicht immer elegant umschifft wird, liegt wohl in der Natur der Sache. (Auslegung und ursprüngliche Absicht laufen per se ja nie parallel und der unverstandene Autor, der mit seinem Senf zur Sache wenig zur Erhellung des Dilemmas beiträgt, findet sich eben nicht nur in der Welt der Literatur.)
Herausgeberin und Mitautor Alexander Schlicker befassen sich in ihrem Aufsatz mit Yattāman (2009), einem cineaistischen Machwerk, das das Genre des Superheldenfilms weniger parodiert, als dekonstruiert, vielleicht eben auch: ruiniert. Zwei Beiträge (Elisabeth Scherer, Marcus Stiglegger) setzen sich mit Ōdishon (1999) auseinander, einem Film, der dem in der Edo-Zeit ikonographisch ins Bild gesetzten weiblichen Rachegeist neues, hochgradig verstörendes Leben einhaucht.
Bijitā Q (2001), dem Manuel Zahn seine Untersuchung widmet, scheint alles zu enthalten was man sich von einem Miike-Film erwartet: das sukzessive Unterwandern eben dieser Erwartung und bedeutungsschwangere Geschmacklosigkeiten sonder Zahl. Zahn macht außerdem deutlich wie Miike auch auf den europäischen Film, im konkreten Fall auf Pasolinis Teorema, rekurriert.
Dieser Regisseur ist entweder ein besonders fiebriger Geist oder genialischer Scharlatan, ein japanischer Tarantino, der in sämtlichen Traditionen wildert und Hybridgattungen am laufenden Band kreiert.



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