Augenzeugen der Tsunami

Buchtitel: „Die großen Tsunami der Sanriku-Küste“. Dokumentarische Literatur von Yoshimura Akira (1927 – 2006)
Herausgeber und Übersetzer: Harald Meyer
Verlag, Erscheinungsjahr: Iudicium, 2013
ISBN 978-3-86205-211-0

Die Folgen des Großen Ostjapanischen Bebens 2011, das so viel Verheerung und so vielen Menschen den Tod brachte, werden wohl noch lange in Erinnerung bleiben. Indes treten Tsunami an der dem Pazifik zugewandten Küstenlinie Japans durchaus nicht als seltenes Phänomen auf. Der Schriftsteller Yoshimura Akira hat sich vor mehr als vierzig Jahren daran gemacht entlang der Sanriku-Küste nach Augenzeugen zurückliegender Ereignisse zu suchen. Er durchforstete Berichte, las in alten Tageszeitungen, konsultierte Bibliotheken und ließ die gesammelte Dokumentation in ein Buch einfließen, das Harald Meyer in Auszügen nun einem deutschsprachigen Lesepublikum präsentiert.
Die besonders opferreichen Vorfälle von 1896 und 1933 werden zunächst analysiert. Die Bewohner der Küstenorte schildern als sich wiederholende Menetekel überreichen Fischfang, das Trübwerden des Brunnenwassers oder das plötzliche Versiegen der Brunnen. Des Weiteren ist von Lichterscheinungen über dem Meer („blitzähnliches Aufleuchten“) die Rede, von Lauten wie Kanonendonner, die einem Erdbeben nachfolgen, sowie von ungewöhnlich starker Ebbe – das Meer zog sich weit zurück und legte ein riesiges Watt frei, ehe eine gigantische, alles zermalmende Wasserwand heranbrandete.
Nach 1933 wurde Katastrophenschutz koordiniert, regelmäßige Rettungsübungen wurden in den gefährdeten Zonen initiiert, Fluchtstraßen vorgeschrieben oder etwa mit dem Bau der „Chinesischen Mauer von Tarō“(Takayama Fumihiko) begonnen: Ein mächtiger Damm, der die gleichnamige Ortschaft vor Überflutung bewahren helfen sollte und dennoch der Belastungsprobe 2011 nicht standhielt.
Dass seismische Erschütterungen vor Südamerika ihre Auswirkungen über den Pazifik senden und als Tsunami vor Japan erscheinen, wurde einmal mehr im Jahr 1960 unter Beweis gestellt, nachdem historische Aufzeichnungen solches bereits belegten. Waren die Beschädigungen auch nicht unbeträchtlich, so konnten durch ein, wenngleich auch verzögert anlaufendes, Warnsystem viele Menschenleben bewahrt werden. Die Ungewöhnlichkeit von 1960 bestand aber darin, dass die Menschen in den Orten der Sanriku-Küste nicht jene Erschütterungen wahrnahmen, die ihrem Verständnis nach einer Flutwelle untrüglich vorauszugehen hatten.

Yoshimura Akira, ein zeitlebens von schwerer Drangsal heimgesuchter Mann, war bis zu seinem Ableben mit der Schriftstellerin Tsumura Setsuko verheiratet. Ausschnitte aus deren autobiographischer Erzählung Kōbai („Rote Pflaumenblüten“), am Ende des Buches, schildern die letzten Tage Yoshimuras, der, von übler Krankheit gequält, schließlich die Aufrechterhaltung lebenserhaltender Maßnahmen abstellte.
Einige Bilddokumente schließen den sehr aufschlussreichen Band ab.



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