Erinnerungen der Täter

Buchtitel: Vom Teufel zum Menschen. Die Geschichte der Chinaheimkehrer in Selbstzeugnissen
Autorin: Petra Buchholz
Verlag, Erscheinungsjahr: Iudicium, 2011
ISBN 978-3-86205-246-2

Sich mit Ereignissen aus den großen Kriegen zu befassen, kann selbst für die mit dem „Glück der späten Geburt“ Bedachten ein ziemlicher Runterzieher sein. Dass es sich dennoch um eine Tunlichkeit handelt, sollte in den ehemaligen Täterländern freilich außer Frage stehen. Die schonungslose Auseinandersetzung mit der eigenen belastenden Vergangenheit, wie sie für das Selbstverständnis der Bundesrepublik Deutschland geradezu konstitutiv geworden ist – und nur in eingeschränktem Maß gilt das auch für Österreich – scheint, weltweit betrachtet, eher die Ausnahme. Über den sogenannten Schulbuchstreit und die Ereiferungen japanischer Geschichtsklitterer oder über die alles andere als harmlose rechtsradikale Szene, weiß man vielleicht noch einigermaßen Bescheid. Seltener ins Bewusstsein tritt allerdings die andere Tradition derer, die sich ihrer Verantwortung stellten und ihre Untaten öffentlich bekannten. Dem besonderen Kreis der sogenannten Chinaheimkehrer, die in diesem, Schuld bekennenden und späterhin pazifistischen Sinn tätig wurden, widmet sich dieses Quellenbuch, das in der Hauptsache Originalzeugnisse von Zeitzeugen vorstellt.
Die Verfasserin und Übersetzerin der japanischen Beiträge nimmt in ihrem Vorwort Stellung zur Auswahl der Texte und bietet einen Überblick über das Vereinsleben dieser besonderen Veteranen und deren Nachfolgeorganisation. Schließlich stellt sich in Japan das gleiche Problem wie allenthalben, nämlich wie das Andenken der Kriegsgeneration zu wahren ist, wenn diese nicht mehr unter den Lebenden weilt.
Die Schilderungen bilden dann die eigentliche Herausforderung für den Leser. Gerade weil ihnen die Betulichkeit so mancher Landser-Bekenntnisse (Stichwort: „Ich war dabei“) abgeht und stattdessen der Prozess der tätigen Reue während des Aufenthalts in der Kriegsverbrecherverwahranstalt von Fushun (China) im Mittelpunkt steht, entfalten diese Geständnisse ihre beklemmende Wirkung. Wie der Mensch zum Unmensch wird, verfängt ja gerade nicht als Lehrbeispiel, das immer nur bei den anderen, die noch dazu ganz weit weg daheim sind, zu studieren wäre. Man fragt sich unwillkürlich, welcher Teufel denn aus einem selbst unter den richtigen falschen Umständen hervorbräche. Die Chinaheimkehrer sind in ihrem Läuterungsprozess zur Einsicht gelangt, dass ihre moralische Verwahrlosung als das Produkt ideologischer Indoktrination nicht den Makel persönlicher Schuld tilgt, man sich also nicht auf Befehlsnotstand im besonderen und die Zeitläufte im allgemeinen hinausreden kann. Was Wunder, dass etliche sich in Japan mit dem Vorwurf der Gehirnwäsche durch die chinesischen Kommunisten konfrontiert sahen. Dabei ist das Verhalten der Chinesen, vor dem Hintergrund des aufziehenden Koreakriegs, nicht weniger erstaunlich: Den ehemaligen Kriegsgegnern Zeit und Raum zu geben, zu einer deprimierenden Einsicht über die Vorgänge der Vergangenheit zu gelangen. Die Dankbarkeit der Japaner für das ihnen geschenkte zweite Leben war in jedem Fall echt und wurde als Verpflichtung begriffen nachfolgenden Generationen die Erinnerung an die Täterschaft großer Teile der eigenen Nation in Erinnerung zu rufen. Die Autorin versäumt es auch nicht, von den Schicksalen des chinesischen Wachpersonals während der Umwälzungen der sogenannten Kulturrevolution zu erzählen.
Dass der Geist der ‚Vergangenheitsbewältigung’, wie er in diesem Buch anklingt, ein universaler ist, belegen nicht zuletzt Vorgänge wie die Wahrheitskommission in Südafrika. Ein wirklich wichtiges Buch!



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