Japanische Pflanzenheilkunde

Buchtitel: Kampō. Einführung in die japanische Pflanzenheilkunde in 25 Fragen und Antworten
Autor: Tobias Ahrens
Verlag, Erscheinungsjahr: Iudicium, 2018
ISBN 978-3-86205-127-4

Auch das noch, könnte man ausrufen. Der leicht überforderte Gesundheitsapostel kriegt es jetzt auch noch mit den Japanern zu tun. Von wegen Shiatsu, Ikebana und Kobe-Rindviecher streicheln oder sich im Ōnsen dünsten lassen wie die Makaken. Tobias Ahrens, promovierter Humanmediziner, führt in einen Zweig der TJM (Traditionelle Japanische Medizin) ein, der sich in unseren Landen bislang keiner größeren Aufmerksamkeit erfreute: die sogenannte Kampō-Medizin. Verkürzt gesagt, ist darunter die japanische Form der Pflanzenheilkunde zu verstehen. Ahrens’ Buch wendet sich zunächst an eine Fachkollegenschaft, die gegenüber Komplementärmedizin aufgeschlossen ist, gleichwohl aber auch an den medizinischen Laien, der sich für außereuropäische Heiltraditionen interessiert. An keiner Stelle wird freilich dem Überschwang für Alternativmedizin – worunter zuweilen eine ausschließende Alternative zur herkömmlichen Medizin verstanden wird – das Wort geredet. Den Gang Zum Facharzt/zur Fachärztin sollte man sich keineswegs versagen.
Pflanzenheilkunde blickt auch in unseren Breiten auf eine lange Tradition. Man denke etwa an den Wiener Dioskurides oder das Gewese um Sylphion in der Heilkunde der Antike. Gleichwohl scheint sie Konjunkturen unterworfen und vom Erfolgsweg eines dominanteren Zweiges etwas ins Abseits gedrängt. Ähnliches dräute auch dem japanischen Pedant, nachdem im Zuge der Landesöffnung westliche Medizin Einzug hielt. Heute ist Kampō als begleitende oder ergänzende Methode etabliert. Tobias Ahrens skizziert das geschichtliche Herkommen und arbeitet die Unterschiede zur TCM, die weltweit größere Bekanntheit genießt, heraus.
Kampō liegt ein dynamisches Patientenverständnis zugrunde, das Krankheitsverläufe als je individuelle zu berücksichtigen erlaubt. In ihr „kommen die verschiedenen Rezepturen (…) pragmatisch-systemorientiert als auch individuell-konstitutionsspezifisch zur Anwendung.“(S. 38) Zu den Spezifika der Diagnostik zählen die Bauchdecken-, Zungen- und Pulsdiagnostik, deren Befunde sich in einer besonderen Terminologie spiegeln, die sich nicht in jedem Fall in gleicher Beschreibungsqualität ins Deutsche übertragen lassen. Als häufigste Darreichungsform von Kampō-Rezepturen gilt das sogenannte Dekokt, worunter, grob gesprochen, ein Absud verstanden werden kann. Anhand von dreißig Symptomen führt Ahrens exemplarisch vor wie die Befindlichkeit eines Patienten/einer Patientin zu erheben, welcher shō-Beschreibung sie zuzuordnen ist und welche Rezeptur zur Wiederherstellung des körperlichen Gleichgewichts sich aufgrund dessen anbietet.
Ein integrales Konzept von Kampō rankt sich um den shō-Begriff, den Ahrens ausführlich erläutert. Er fungiert als maßgebliches Bindeglied zwischen Patient und Rezeptur.
Die Möglichkeiten sich in Europa mit Kampō zu befassen, sind einstweilen noch recht überschaubar. Der Autor, versiert in dem Dargelegten, bietet im abschließenden Kapitel nützliche Hinweise an.
Wenn die Entwicklung hin zu einer personalisierten Medizin anhält, kann auch mit einer wachsenden Relevanz von Kampō gerechnet werden.



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